Nach viel zu wenig Zeit zum Segeln musste das Boot unbedingt mal wieder fremdes Wasser unter den Kiel bekommen. Nachdem der erste Versuch zum TSG-Cup auf dem Langen See mit einem Mastbruch endete, visierte ich mit frisch repariertem Mast zielstrebig die Schanzenberg Classics vom SC Hansa auf dem Ratzeburger See an. Nur leider ist der August Ferienzeit, was für meine Suche nach einem geeigneten Vorschoter wenig förderlich war. Unsere Jugendobfrau Peggy hat mich dann glücklich mit unserem Jugendtrainer Christian verkuppelt, der zu meiner Überraschung freudig zusagte. Dass so ein Könner auf meine fast 70 Jahre alte Schratzjolle steigt und eine Regatta mit ausschließlich uralten Holzbooten segelt……Wow!

Wir haben dann eine Woche vorher schon einmal auf dem Müggelsee etwas geübt und ich bekam gleich eine Menge Input und Verbesserungsvorschläge zum Spinnackergeschirr und zum Bootstrimm. Dass die Trapeztalje neu musste, war ohnehin klar, nachdem die alte gleich einmal riss und sich Christian allein im Müggelsee wiederfand. Immerhin konnte ich so das „Mann über Bord Manöver“ mal wieder etwas auffrischen – Mann, war mir das peinlich!

Also ab zum Segelladen und erst mal tüchtig eingekauft. Wann bekommt man denn sonst mal die Chance auf ein fachlich fundiertes Boots-Update.

In Schanzenberg machten wir das Boot rechtzeitig zur freitäglichen „Mittwochsregatta“ fertig und ich bekam eine erste Vorstellung, wie Regattasegeln mit einem versierten Vorschoter geht. Bei dem Start direkt vor dem Clubsteg wurde mir das „auf der Linie abwarten“ aufgetragen. Dachte bis dahin, dass sowas nur mit Optis und Lasern geht, aber siehe da, der Schratz kann auch. Überhaupt ist das sehr entspannt, wenn „der da vorne“ die Taktik macht und ich nur ausführendes Organ bin – also natürlich nur, wenn man ihm auch vertrauen kann. Und das tat ich: als es dann losging, bekamen wir just eine kräftige und leicht schralende Bö und wir befanden uns schwungvoll inmitten der sauschnellen 20m²-Rennjollen, die wir bis zur ersten Wendetonne sogar hielten. Später sprachen die am Steg stehenden Zuschauer von einem regelrechten Katapultstart. Am Ende berechneter vierter von sehr vielen und überwiegend modernen Booten. Das war für die eigentliche Holzbootregatta natürlich eine echte Bürde. Aber dennoch schön, wenn beim Blick zurück so viele Boote zu sehen sind 😊

Samstag ging es dann bei recht kräftigem Wind zur eigentlichen Holzbootregatta auf den See. Olympischer Kurs und 18 Holzboote. Darunter allein 5 Z-Jollen, zwei H-Jollen, 2 M-Jollen, eine J-Jolle, eine E-Jolle, 3 Jollenkreuzer, zwei 12“-Dingis (olympisch 1928!), eine O-Jolle, ein Pirat, eine 5.5 m R-Yacht und wir, vom Yardstick mit einer 112 eher im letzten Geschwindigkeitsdrittel angesiedelt.

 

Schnell merkten wir, dass der Freitag leider nicht nach Wiederholung schreit, die Kreuz war bei dem Wind einfach nicht unser Ding. Zu langsam und vor allem auf einer Seite zu wenig Höhe. Am Sonntag beim Mastlegen sahen wir dann: Saling gebrochen.

Und wer glaubt, dass alte Holzboote vorsichtig gesegelt werden, wurde eines Besseren belehrt: eine effektvolle Luvkenterung von Christoph mit seiner M-Jolle und eine leider schmerzhafte Beinahekenterung einer der H-Jollen, bei der der Vorschoter aus dem Trapez ins Boot rutschte und mit den Füßen durch die Bordwand ging. Loch im Boot und wohl leider auch das Bein lädiert. Und morgens hatte der Eiger mir noch begeistert davon erzählt, dass das Boot noch nahezu original erhalten sei. Das Bein ist hoffentlich wieder verheilt, Holz kann man leichter flicken.

Die dritte Wettfahrt lief dann endlich auch bei uns recht gut. Nach und nach lernte ich, Christians Segelvokabular zu verstehen. Geh tiefer, zieh hoch. Leider lagen wir vor dem Start wohl über der Startlinie und bekamen eine Disqualifikation. Da wusste ich noch nicht wohin, wenn ich plötzlich zum Pinend fahren sollte. Das wird mir jetzt garantiert immer ein Begriff sein. Oh weh! Den Streicher hätten wir gerne woanders angebracht.

Die für den Tag noch versprochene Langstreckenwettfahrt wurde auf den Folgetag verlegt, da der frische Wind wohl die meisten etwas überstrapaziert hatte. Ich hatte allerdings vor allem das mühsame Kreuzen über und ging mit Christian nochmal raus auf den See um den Schratz ausgiebig auf die Glitsch zu bringen. Was für ein Befreiungsschlag!

Dazu gabs dann einen langen Grillabend und viele schöne Gespräche mit langjährigen Wegbegleitern aus der Holzbootszene. Ohne das wäre die Regatta nicht mal halb so schön.

Sonntag dann die angekündigte Langstreckenregatta über den halben See, nicht mehr ganz so viel Wind, dafür mehr Zeit für Bordgespräche über den besten Weg gegen den Wind. Wir lagen natürlich goldrichtig, hatten den besten Weg zur Tonne, aber dann drehte der Wind, und die anderen hatten das Lachen. Woher bloß wissen die das immer? Immerhin der 7te Platz und etwas Wiedergutmachung für den Vortag, was dann in der Summe den 12ten machte.

Arne Assmann wusste immer wohin und tummelte sich mit seiner O-Jolle nahe bei den Z-Jollen und dem 5.5er. Zwei erste Plätze bescherten ihm den Gesamtsieg, besser gehts kaum. Beachtlich auch Alfred Lippold mit seinem Ausgleicher-Jollenkreuzer auf Platz 4, Boot wie Eigner jeweils um die 90 Jahre alt!

Steffen Thiemann hat dann wieder sein altes Nebelhorn zur Siegerehrung angestimmt und für jeden einen Preis  – zum Teil alte Trophäen aus der langen Vereinsgeschichte – vergeben Und sich wie immer noch zahlreiche Sonderpreise ausgedacht. Mit dabei wieder die frische Sahneschnitte, diesmal für Manfred Möllers wunderschöne Gaffel-M-Jolle „Wildfang“.

Schön wars, wir hatten Spaß und Christian würde nach seinen Worten sogar nochmal mit dem Schratz (und mir) auf eine Regatta gehen. Und dann finde ich auch das Pinend !

Rainer Enßlin, SY „Fratz“

Fotos von von Steffen Thiemann